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Konzept

Das Hinterzimmer der Architekten

Vom Hinterzimmer ihres Architekturbüros in der Semerteichstraße in Dortmund über die Düsternis eines unterirdischen Bunkers zurück in den Tag und ins Licht.

kunst startbild kuenstlern chronologisch

Im Jahr 2005 entwickelten Susanne Schamp und Richard Schmalöer die Idee, einen zeitweise nicht benötigten Raum ihres damaligen Büros für wechselnde Kunstinstallationen und Ausstellungen zu nutzen. Den Anfang machte der Herner Künstler Dirk Schlichting, der seine Arbeit, einen überdimensionalen Nachbau eines kleinen Eisenbahn-Modellhäuschens, Das Hinterzimmer der Architekten nannte. Die Doppeldeutigkeit des Namens gefiel ihnen so gut, dass sie sie als Motto des ersten Teils ihrer Ausstellungsreihe beibehielten. Was passiert im Hinterzimmer der Architekten? Mit welchen Gedanken beschäftigen sich die Gestalter unserer Städte? Welche Dinge bewegen sie in ihrem Hinterkopf und von welchen Dingen werden sie bewegt? Hat dieses Denken irgendeinen Einfluss auf unsere gebaute Umwelt?

Weil die beiden Architekten und Stadtplaner glauben, dass das ganz bestimmt der Fall ist, dass Kunst und andere Inspirationsquellen, die sie in ihre Arbeit einbeziehen, einen sehr großen Einfluss auf das Ergebnis ihrer eigenen Arbeit hat, ist ihrer Meinung nach die Beschäftigung mit Kunst für Architekten nahezu unabdingbar.

Bei Dirk Schlichtings Arbeit war aber besonders spannend, einen Eindruck davon zu bekommen, wie umgekehrt ein Künstler den Architekten sieht. Das Hinterzimmer von Dirk Schlichting und auch die weiteren Installationen waren voller Anspielungen und Verweise auf Themen, die die beiden Architekten beschäftigen. Es folgten Konzepte von Mira Schumann (3ZimmerKücheDuscheBad, 2006), Christel Koerdt (Zwischen den Zeilen, 2006) und Wolfgang Spanier (There is space for a pool, 2007), bevor die Reihe wegen des Büroumzugs unterbrochen werden musste, ohne jedoch die Begeisterung von raumbezogener Kunst zu verlieren.

So begann im Sommer 2008 der zweite Teil der Reihe. Mit Barbara Meisners aufwendiger Installation Berge im Bunker bespielten SCHAMP & SCHMALÖER zum ersten Mal unter dem neuen Titel „KUNST.unterirdisch“ den Bunker in der Hörder Tullstraße, den Schmalöers einige Jahre zuvor gekauft hatten. In den folgenden Jahren, während derer rund um diesen Bunker die europaweit sichtbarsten Zeugnisse des Strukturwandels realisiert wurden – aus einem ehemaligen Stahlwerk wurde der PHOENIX See und aus einem Hochofenareal der Hightech-Standort PHOENIX West – wurde ein Angst- in einen Kunstraum verwandelt.

Die sieben allesamt äußerst ungewöhnlichen Ausstellungen von 2008-2015, werden den zahlreichen Besuchern vermutlich in deutlicher Erinnerung geblieben sein. Ob diese immer schöne Erinnerungen sind, steht dabei auf einem ganz anderen Blatt. Dazu sind die Assoziationen, die allein die Räume auslösten, und die bedrückende Enge eines solchen Schutzraumes nicht heimelig genug. Als allerdings Uwe Zielke-Steffen, um nur einen der weiteren Künstler zu nennen, zum Abschluss seiner Eröffnung ein wunderbares Feuerwerk zündete, war auch für die entsprechende Schönheit gesorgt.

Aber auch der zweite Teil der Reihe ist zu Ende gegangen. Schmalöers bauten ein Haus über dem Bunker und wohnen nun auf ihm. Der Bunker ist Teil ihres Zuhauses geworden.

Um dennoch weiter zu machen, sind die Architekten auf die Suche nach anderen ungewöhnlichen Orten gegangen. Susanne Schamp und Richard Schmalöer verfolgen nun die Idee, wechselnde Orte zu bespielen und damit vielleicht manch verschlafene, verwunschene Gegend, manch spannendes Objekt zu neuem Leben, zu anderem Leben zu erwecken.

Auf den Hauptfriedhof sind sie zum ersten Mal fündig geworden: Die ehemalige Pferderemise aus den Baujahr 1925 von deren Existenz sie gar nichts wussten, bis die freundliche Leitung der Verwaltung auf einer wunderbaren Rundfahrt mit dem Elektromobil durch eine der schönsten Parklandschaften Dortmunds auf sie aufmerksam machte. Der Fachwerkbau, der seit Jahren als Materiallager genutzt wird, begeisterte sofort. Die filigrane Durchlässigkeit seiner Gebäudehülle ließ Richard Schmalöer unmittelbar an eine Arbeit von Danuta Karsten denken, die etwa zeitgleich im Rahmen des DEW-Kunstpreises im Dortmunder U gezeigt wurde. Das Transitorische dieses Ortes, die Durchlässigkeit der Konstruktion und die Arbeiten von Danuta ließ dazu in Richard Schmalöers „Hinterzimmer-Hinterkopf“ sofort eine Verbindung entstehen.

Durch Zufall fand er in einer Buchhandlung in Südtirol ein dazu passendes Gedicht. Es heißt: „Zu Ende gebaut ist nie“ und stammt von Sabine Gruber.

Und weil darin die großen Themen dieses Ortes, des Lebens und der Kunst von Danuta Karsten in Metaphern aus der Arbeit von Susanne Schamp und Richard Schmalöer beschrieben werden, haben sie sich gedacht: An diesem ersten neuen Ort ihrer Reihe geht unser Konzept der Verbindung von Kunst und Architektur präzise auf.

So wird 2016 DAS HINTERZIMMER DER ARCHITEKTEN unter neuem alten Namen wiederaufgenommen.


Konzept

KUNST.unterirdisch | 2008-2015

Nirgendwo in Dortmund, nirgendwo im Ruhrgebiet, vermutlich noch nicht einmal in Europa ist Strukturwandel so greifbar und so weit fortgeschritten wie in Dortmund-Hörde. Mit einem intelligenten und sehr mutigen Konzept verwandelt sich die Stadt und erfindet sich geradezu selber neu und dies ohne die Vergangenheit zu verleugnen. Der über 150 Jahre lang von Schwerindustrie eingeschnürte Stadtkörper Hördes beginnt sich zu rühren. 90 Hektar Stahlwerksfläche wurden zum Stadtteil am See, 110 Hektar Hochofengelände zum innovativen Technologiestandort. Mittendrin erwacht ein Ort zum Leben. Die Relikte der industriellen Epoche wurden dabei zu Merkzeichen des Stadtbildes: die Hörder Burg, die Hochöfen, die alten Hallen, Labor und Kaue blieben als Zeugen der Geschichte bestehen.

Und SCHAMP & SCHMALÖER legten ein Stück Geschichte mit Zukunft dazu: einen unterirdischen Bunker, den Anne und Richard Schmalöer 1999 aus den sich auflösenden Strukturen der alten Stahlwerksdynastien herauslösen konnten und in den Folgejahren nach und nach soweit instandgesetzt haben, dass er zwischen 2008 und 2015 als Raum für KUNST.unterirdisch genutzt werden konnte. Kunst an einem besonders ungewöhnlichen Ort als kleiner Baustein des Wandels.

Einmal im Jahr, im Sommer, eröffnete eine Installation im Rahmen von KUNST.unterirdisch, die dann einige Monate lang zu sehen war. Die begrenzte Platzkapazität, die nicht dazu geeignet war, große Besucherströme gleichzeitig einzulassen, machte es sinnvoll, die Ausstellung über einen längeren Zeitraum zu zeigen.

KUNST.unterirdisch war ein nicht kommerzielles Projekt, das SCHAMP & SCHMALÖER aus Interesse an und Begeisterung für Kunst initiiert haben.


Kunst.unterirdisch

Historisches

Als Anne und Richard Schmalöer vor zehn Jahren ein Grundstück am Ende einer kleinen Sackgasse in Dortmund - Hörde kauften, wussten sie nicht, was sie unter der Erde erwarten würde. Drei grobe Betonklötze schauten aus einem dornenüberwucherten Berg von Schlacke und Schutt heraus, die Eingänge eines unbekannten Bunkers, den es zu entdecken galt.

Innerhalb der folgenden Jahre machten sie den Bereich des Grundstücks, unter dem der Bunker schlummerte, urbar und entwickelten ihn zu einem Teil ihres Gartens. Natürlich erkundeten sie auch den Bunker und dies sowohl vor Ort als auch in verschiedenen Archiven, im Internet und durch Befragung älterer Nachbarn. Der Bau selbst war schnell erschlossen: ein wenig Bauschutt, eine rostige Liege, jede Menge Staub. Die Geschichte des Ortes dagegen ist nicht genau nachvollziehbar, aber stark an die Geschichte des Stahlstandortes Hörde geknüpft.

Um das Jahr 1900 siedelten sich die Direktoren und höheren Angestellten des Hörder Hüttenvereins, die man heute überall in den Straßennamen wiederfindet (Tull, van-Vloten, Harr, Piepenstock etc.) nördlich der großen Werksgelände am damals Mühlenberg genannten Hügel oberhalb des Emschertals an. Die Architektur der heute größtenteils unter Denkmalschutz stehenden Villen und Bürgerhäuser stammte vom Dortmunder Baurat Ernst Marx. Marx verwandte übliche Stilmittel des Historismus und vermischte diverse Strömungen vom Jugendstil bis zur Neorenaissance recht unvermittelt miteinander.

Nachdem bis in die 30-iger Jahre des 20. Jahrhunderts noch Tennis im parkähnlichen Garten des Hauses Tullstraße 1, der Direktorenvilla, gespielt wurde, die zu dieser Zeit Wohnsitz des Werksdirektors Karl Harr war, sorgten der drohende Ausbruch des zweiten Weltkrieges und die Gefahren, die durch die unmittelbare Nähe zur rüstungsrelevanten Industrie in Hörde zu erwarten waren, für den Bau des Bunkers. Die Führungsschicht des Werkes errichtete sich ihren privaten Schutzraum mit 138 nummerierten Sitzplätzen auf schmalen Bretterbänken, die in zwei parallel verlaufenden Tunnelröhren angeordnet wurden. In städtischen oder in Verzeichnissen des Bundes gibt es folglich keinerlei Hinweise auf den Bunker in der Tullstraße. Aber auch im Archiv des Stahlkonzerns Thyssen Krupp, der durch verschiedene Fusionen aus dem früheren Hörder Hüttenverein bzw. der späteren Phoenix AG hervorgegangen ist, existieren keinerlei Planunterlagen.